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Dantons Tod

Georg Büchner

Georg Büchners Geschichtsdrama DANTONS TOD zeichnet einen zweiwöchigen Ausschnitt aus der entfremdeten Spätphase der Französischen Revolution vom 24. März bis 5. April 1794 nach.

Die politischen Ziele der Französischen Revolution sind zu Beginn der Spielhandlung bereits erreicht. Im Mittelpunkt steht nun die Verwirklichung der „sozialen Revolution“, d.h. der gerechten Güterverteilung und allgemeinen Verbesserung der katastrophalen Lebensumstände der Massen.

An dieser Stelle eine Analogie zu den europäischen Krisen unserer Zeit zu knüpfen, ist der Kerngedanke der Inszenierung, die auf unserem Europa-Projekt „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“ aus den Jahren 2013-15 basiert.


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Neben dem auch in späteren Folgerevolutionen gescheiterten Spagat, die Errungenschaften der Emanzipation zu bewahren und in eine demokratische Ordnung zu integrieren, die dem Wohle Aller verpflichtet ist, interessiert uns diesmal vor allem der machtpolitisch motivierte Einsatz von Angst. DAS EINFACHE VOLK WIRD SYSTEMATISCH IN ANGST GEHALTEN, um seine hilflose Wut gegen innenpolitische Gegner steuern zu können ...

Wenn beispielsweise Robespierre von staatlich verordnetem TERROR als einzigem Mittel zur Verteidigung der TUGEND spricht, erreicht der Text bis heute eine erdrückende Aktualität, die eine direkte Verbindungslinie von der französischen Revolution – der Geburtsstunde des europäischen Freiheitsgedankens – über die Verbrechen deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart erkennen läßt:

> Danton: „Ihr wollt Brot - und sie geben Euch Köpfe!“

Besetzung

Valerie Bolzano
Vincent Hoff
Mélanie Linzer
Oliver Kai Müller
Karsten Leschke
Aylin Kekec
Leonard Schärf
Christian Suhr

Inszenierung: Christian Suhr

Spieldauer: 2 Stunden (eine Pause)

Presse

„Danton“ eröffnet Büchnerland-Festival 21 in Riedstadt

Im Leeheimer Kirchgarten spielt die Büchnerbühne „Dantons Tod“: Christian Suhrs spannungsvolle Inszenierung zeigt, wie das Wort aufrüstet und Angst erzeugt.

RIEDSTADT - Vor solchen Typen sollte man sich in Acht nehmen. Robespierre ist auf dem Gipfel seiner Macht, er schwadroniert von Tugend, die er mit seiner Schreckensherrschaft verteidigen will. Den stramm sitzenden Anzug trägt er wie eine Kampfuniform. Aber der Mann ist ein Nervenbündel mit Taschentuch-Tick und unsicherem Blick, als wisse er, dass er von der Mordmaschine, die er mit Opfern füttert, bald selbst verschlungen werden wird.

Er übt Macht aus, indem er Angst erzeugt – und sieht manchmal selbst aus, als sei er von Angst geschüttelt. Oliver Kai Müller liefert das Psychogramm des Gewalttäters, in dem der Bericht Camilles, der schon den Mitschüler Robespierre als finsteren Außenseiter beschreibt, greifbar wird. Später wird er mit dem religionskritischen Vortrag des Thomas Payne eine weitere dämonische Demagogenfigur auf die Bühne bringen, von der sich das Volk manipulieren lässt.

Christian Suhrs Inszenierung von „Dantons Tod“ nimmt Georg Büchner beim Wort: Sie zeigt mit erstaunlicher Präzision, wie dessen Revolutionsdrama die Rhetorik der Gewalt offenlegt. Das Wort ist das Werkzeug des Mordens, und hinter Figuren wie Robespierre stehen Polit-Profis wie Saint-Just: Valerie Bolzano sammelt seine schönsten Zitate im Notizblock, als heimliche Macht bleibt sie im Hintergrund und trägt bald nicht mehr Pumps zum Hosenanzug, sondern Kampfstiefel. Das Wort rüstet auf.

Im Drei-Länder-Projekt „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ hatte sich die Büchnerbühne 2013 erstmals mit diesem Stoff beschäftigt, 2017 brachte Christian Suhr eine Weiterentwicklung auf die Bühne, aus der einige Elemente auch in die neue Fassung eingeflossen sind. Vor einem begeisterten Publikum hatte sie am Samstagabend Premiere im Garten der Leeheimer Kirche. Unter den Lindenbäumen entwickelt Suhrs klug auf zwei Stunden konzentrierte Textfassung dramatische Kraft, getragen von der Präsenz eines ausgeglichen starken Ensembles. Und es braucht gar nicht den ausgestreckten Zeigefinger, um die Zeitlosigkeit dieses Stoffes zu erkennen. Bald trägt man Helm und Militärmantel und marschiert durchs zwanzigste Jahrhundert, in dem das Wort immer wieder der Gewalt vorangeschritten ist. Das Rednerpult für die Demagogen trägt die Europafahne und das Symbol einer gefesselten Faust, später wird es von Uniformen bedeckt sein, die aussehen wie ein Leichentuch über den besiegten Idealen.

Dabei zeigt die Inszenierung nicht nur das System, sondern auch die Menschen – diejenigen, die es am Laufen halten, und die, die seine Opfer werden. Vincent Hoff als Camille, Leonard Schärf als Herault sind Antreiber und Getriebene des Revolutionsgeschehens zugleich. Aylin Kekec spielt eine leidenschaftliche Lucile, die nach der Hinrichtung Camilles sogar noch den Henker (Karsten Leschke) tröstet, bevor sie ihrem Geliebten freiwillig in den Tod folgt. Und Mélanie Linzer als Julie ist für Danton eine warmherzige Gefährtin. Und mehr als das, denn in dieser Inszenierung wird Danton schon während des Schauprozesses ermordet, und Julie übernimmt seinen Part. Das Prinzip Danton überlebt.

Suhr selbst spielt ihn nicht als Zerrissenen, sondern als müde gewordenen Kämpfer, der melancholisch erkennen muss, wie die Ideale im Blut der Guillotine ertränkt werden. Dieser Danton, milde geworden und nachsichtig mit seinen Gefährten, braucht weder Kampfrhetorik noch Lautstärke. Ein skeptischer Blick, ein pointiert gesetztes Wort genügt, um dieser Gestalt Tiefe zu verleihen – und zu erkennen, wie hellsichtig der sehr junge, nach Freiheit und Gerechtigkeit dürstende Büchner die Schatten künftiger Revolutionen beschrieben hat.

28.06.21 Johannes Breckner, DARMSTÄDTER ECHO

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