17 Uhr Norbert Abels: Zur Aktualität des Hessischen Landboten

Norbert Abels hat nicht nur Philosophie und Judaistik studiert, ist Musik- und Literaturwissenschaftler, sondern auch zertifizierter Fischer: auf Kreta hat er eine regelrechte Ausbildung absolviert. Diese „Verankerung“ erdet seine Intellektualität und verschafft ihm seine humorvolle und stets kritische Distanz vor akademischen Überflügen.

Natürlich haben den langjährigen Dramaturgen an der Oper Frankfurt die musikalischen Interpretationen von Georg Büchners Werken beschäftigt: nicht nur Alban Bergs Wozzek und Georg von Einems Danton gehören dazu, auch Wolfgang Rihms „Eine Straße, Lucile“ oder Gurlitts „Wozzek“ haben ihn beschäftigt, und die „mühelos zwanzig Opern und Performances“ zu Büchner, wie schon 2013 geschätzt wurden, kann er vermutlich sämtlich mit den Namen der Interpreten und den zeitgenössischen Kritiken nennen.

Im Rahmen unserer Überlegungen zu den Ereignissen der europäischen Revolution von 1848 machen wir uns Gedanken über die Kontinuität von Georg Büchners revolutionärer Haltung in den 1830er Jahren. Fast alle Personen, die damals enger mit Büchner verbunden waren und die 1848 noch lebten, haben dann auch politisches Engagement auf Seiten der Paulskirchen-Republikaner gezeigt. Natürlich interessiert uns, welche Keime, die mit dem Hessischen Landboten, der Flugschrift der Butzbacher Republikaner um Friedrich Weidig, gelegt wurden, in der Folge aufgingen und Früchte trugen.

Norbert Abels wird - weit über Musik und Literatur hinaus - schildern, wie der Ruf der französischen Revolutionäre, deren sich Büchner bedient – „Friede den Hütten, Krieg den Pallästen!“ nicht nur einfach „nachhallt“, sondern ganz konkret wirkt und fast beklemmend aktuell geblieben ist.

Die anschließende Performance der Büchnerbühne, entwickelt zum „Extrablatt 1848“ der Kulturregion Frankfurt, präsentiert dann authentische Töne des demokratischen Aufbruchs.

Die Akteur*innen stellen sich zusammen mit dem Referenten dem Austausch mit den Gästen. Bis zum Beginn der Filmvorführung tauschen wir uns in zwangloser Runde über Erreichtes und Verlorenes aus: über die Aktualität von Büchners Hessischem Landboten. 

18 Uhr Extrablatt! 175 Jahre Revolution 1848/49

Die von der KulturRegion FrankfurtRheinMain initiierte Projektreihe „Geist der Freiheit“ hat anlässlich "175 Jahre Revolution 1848/49" zum Mitschreiben aufgerufen. In Rückgriff auf das Medium der Stunde – die gedruckte Zeitung − waren Akteur*innen aus verschiedensten Bereichen in der ganzen Region eingeladen, darunter Archive, Museen, Geschichts- und Kulturvereine, Schulklassen, Kommunen, Kreise sowie freie Autor*innen und Fotograf*innen, eine Jubiläumszeitung mitzugestalten.

Zum Erscheinen des "Extrablattes" 2023/24 ist das Schauspielensemble der BüchnerBühne unterwegs und macht die Zeitungslektüre zur theatralischen Aktion. Unter dem Titel „So zieht die Freiheit durch alle Lande“ überrascht es auf Wochenmärkten, Stadtverordnetenversammlungen und zu anderen Anlässen in der Region. Die Intervention greift Zeitungsmeldungen aus der Revolutionszeit auf und spiegelt sie auf verschiedenen Ebenen der Debatte, vom Zwiegespräch auf der Couch bis zum Rednerpult in der Nationalversammlung.

Zum ersten Mal zu erleben am Büchnerhaus beim BüchnerLand-Festival!

mit 
Mélanie Linzer
Oliver Kai Müller
Christian Suhr

Dauer ca. 20 Minuten

17 Uhr  Friede den Hütten! Und was ist mit den Palästen?

Texte & Lieder zur Freiheit

Stellen Sie sich vor: Eine Spelunke unter Linden. Klavier und Gitarren, Zeitungen und Bücher. Ein Haufen gestrandeter Figuren singt und erzählt von Dingen, die fehlen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Uns schon ...

Mit Liedern und Texten aus dem Vormärz und dem frühen 20. Jahrhundert begeben wir uns auf eine ebenso sentimentale wie unterhaltsame Spurensuche nach den Ursprüngen und Bedingungen des ersten Freiheitskampfes in deutschen Landen, an den in diesem Jahr bundesweit erinnert wird. Und wir fragen uns alle:

Warum nur scheint auch heute vielen Menschen Freiheit zu fehlen?
Büchners Motto "Friede den Hütten" wird heutzutage niemand mehr widersprechen - aber was machen wir nur mit den Palästen?

Mit
Petra Bassus
Johanna Bronkalla
Peter Brunner
Heiner Dieckmann
Marcella Hagenauer
Bastian Hahn
Thomas Heldmann
Reiner Lenz
Mélanie Linzer
Oliver Kai Müller
Erich Schaffner
Bernd Simon

Konzept & Leitung: Christian Suhr

19:30 Uhr Nessie Tausendschön: 30 Jahre Zenit – Operation „Goldene Nase“

Menschen wollen lachen. Wir sind Menschen, wir wollen glücklich sein und nicht immer nur hadern. Aber oft eben auch doch. Und genau das ist es, was abends auf Kabarettbühnen im besten Fall passiert: Elegantes, kluges und schönes Hadern mit den großen, aber auch mit den kleinen Themen des Lebens. Scheitern als Schanze, Erfolg durch Zufall, Glück als Resultat kontinuierlichen Strebens nach Erkenntnis.

Seit 30 Jahren ist Nessi Tausendschön nicht von der Bühne zu bomben. 30 Jahre mondän kultiviertes Schabrackentum, geschmeidige Groß-und Kleinkunst, wunderschöne Musik. Nessi hat als Kabarettistin eine Zunge wie eine Reitpeitsche, als Sängerin aber eine Stimme wie ein Engel. Eine wunderbare Kombination.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass 30 Jahre Bühnen-Dasein an Frau Tausendschön aber auch nicht spurlos vorüber gegangen sind: Sie ist Trägerin des Deutschen Kleinkunstpreises und des Salzburger Stiers. Diese Auszeichnungen mögen stellvertretend für die zahlreichen anderern Ehrungen stehen, mit der die Kulturindustrie das kabarettistische Naturereignis Nessi Tausendschön gewürdigt hat.

Und eines noch: Seit der Böhmermannaffäre wissen wir alle: Satire bewirkt doch etwas, und wenn es nur eine Staatsaffäre ist, haha. Und mit dem Wissen um das kleine Rädchen im großen Weltengefüge, das ich bin, kann ich guten Gewissens sagen: ich bin gerne Kabarettistin. Eine Amüsierdame, eine Lustigkeitshure, eine Witzeprostetuierte, eine Scherzkeksin, eine Spaßkurtisane, eine Fezdirne, eine Joke-Bitch, eine Juxnutte, eine Gagschlampe, ein Ulk-Callgirl, heute auf Neusprech heißt das wohl „Joke Account Facility Managerin“.

Nessi Tausendschön (Vocals, Singende Säge, Ukulele) | William Mackenzie (Gitarre, Banjo, Slide, Drums)

16 Uhr Wenn es Rosen sind werden sie blühen (Premiere Neuinszenierung)

Die Macht & die Freiheit

Die Geschichte des Schauspiels von Christian Suhr auf Basis des gleichnamigen Romans von Kasimir Edschmid erzählt den tragisch gescheiterten Anlauf zu einer radikalen Erneuerung Deutschlands im absolutistischen Polizeistaat Hessen. In der Gegenüberstellung des Dichters und Mediziners Georg Büchner und des protestantischen Theologen Ludwig Weidig wird daran erinnert, daß Deutschland eine wirkliche Widerstandstradition mutiger Einzelgänger hat.

Die »Hessische Verschwörung« von 1834, deren Manifest, Der Hessische Landbote - verfaßt von Georg Büchner, redigiert von Ludwig Weidig -, gehört zu den einflußreichsten Dokumenten der Weltliteratur. Mitten in der idyllischen Zeit des Biedermeier erklingt hier der Kampfruf: »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« – Doch beim Volk bleibt er noch lange ungehört ...

Warum? Eine Frage auch an die Gegenwart: Wie ist das Verhältnis von politischer Macht und bürgerlichen Freiheiten heute? Wie viel Freiheitskampf verträgt eine Gesellschaft? Wer verteidigt die Menschenrechte, wenn sie bedroht werden?

Ensemble:
Dimitri Eliseev
Bastian Hahn
Aylin Kekec
Mélanie Linzer
Oliver Kai Müller
Erich Schaffner
Ursula Stampfli
Christian Suhr

Inszenierung: Christian Suhr

11:00 Uhr Erzähl mir was

Erzähl-Märchen für klein & groß

"Es war einmal,
Es wird einmal ...
Es gibt kein Wenn und kein Vielleicht ...
die Märchentür, sie öffnet sich … "

Oliver Kai Müller, Ensemble-Mitglied der BüchnerBühne, erzählt und spielt Geschichten,
von Hier und Da und fremden Welten,
von Mäusen und Menschen und mutigen Helden.

14 Uhr Das republikanische Café: „Ungleich frei?"

„Republikanische Bankette“ sind seit über 200 Jahre ein bewährtes Mittel, Versammlungsverbote zu umgehen. Aufrührerische Reden, die verhindert werden sollten, fanden ihr Publikum bei scheinbar harmlosen gesellschaftlichen Treffen. Selbst die Einladung zum berühmten Hambacher Fest 1830 leugnet ausdrücklich den politischen Inhalt:‘

„In öffentlichen Blättern ist eine Einladung zu einem Constitutionsfeste auf dem Hambacher Schloss erschienen. Solche ist ohne Auftrag ergangen. …“

und schließt:

„Kommet alle herbei zu friedlicher Besprechung, inniger Erkennung, entschlossener Verbrüderung für die großen Interessen, denen ihr eure Liebe, denen ihr eure Kraft geweiht .“

Treffen zum „geselligen Beisammensein“ gab es schon im Vorfeld der französischen Revolution, und auch vor der Paulskirchenversammlung dienten Bankette überall in den vielen deutschen Staaten in Wirklichkeit der politischen Debatte.

Heute genießen wir Versammlungs- und Redefreiheit, aber es entsteht der Eindruck, dass wir die Demokratie, die uns das garantiert, gelegentlich als Last empfinden. Wir zögern, Demokratie bedingungslos zu verteidigen. Sei es im Kleinen, dass Anliegerrechte - scheinbar - mehrheitlich gewünschte Projekte der Windkraft behindern oder sei es im Großen, dass undemokratisch geführte Länder es im globalen Süden zu ungeahnten wirtschaftlichen Erfolgen bringen.

Demokratie ist schön, aber anstrengend. Zwei Prominente werden sich im Rahmen unseres Festivals dazu positionieren. Ihr Thema:

„Ungleich frei?" Lässt es sich vielleicht besser, ja freier, leben, wenn die Zwänge der Demokratie zu Konsens, Mehrheit und nicht zuletzt Minderheitenschutz weniger wichtig genommen werden?

Bascha Mika, die frühere Chefredakteurin der taz, später der Frankfurter Rundschau, erste Trägerin des Luise Büchner-Preises für Publizistik und weiterer Auszeichnungen, hat in vielen politischen Diskussionen klare Position bezogen. Sie ist eine der wichtigsten Publizistinnen und Frauenrechtlerinnen Deutschlands, gehört zahlreichen Gremien und Jurys an und trägt regelmäßig mit bemerkenswerten Beiträgen in der Frankfurter Rundschau zur politischen Debatte bei.

Gregor Gysi ist einer der bekannteste Intellektuellen Deutschlands. Der gelernte Facharbeiter für Rinderzucht und promovierte Jurist führte die einstige DDR-Staatspartei als Vorsitzender von 1989 bis 1993 in den Bundestag und in den 2000er Jahren dann als Fraktionschef in die gesamtdeutsche Partei „Die Linke“. Bei der Massendemonstration am 4. November 1989 in Berlin forderte er ein demokratisches Wahlrecht und ein Verfassungsgericht. Seitdem hat er zu annähernd jeder öffentlich geführten politischen Debatte Position bezogen; sein Scharfsinn und sein Witz haben ihn zum beliebten Gast zahlreicher öffentlicher Diskussionen gemacht. Gysi ist heute als direkt gewählter Abgeordneter einer der drei Parlamentarier*innen, denen die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag verdankt.

Um den Charakter eines Gespräches zu wahren, um ernsthaften Austausch zu ermöglichen und unseren räumlichen Umständen zu entsprechen, haben wir die Zahl der Gäste auf 40 beschränkt. Leider sind bereits alle Plätze an der Kaffee-Tafel in der Büchnerscheune vergeben. Dennoch haben Interessierte die Möglichkeit, der gesamten Veranstaltung zu folgen (auf dem Gelände des Hauses halten wir genügend Stehplätze vor).